Es ist wie ein Geschenk des Himmels, sagt Traudl Jeck aus Kurzeichet, Gemeinde Neukirchen am Inn, als ich mich mit ihr und Ihrem Mann Karl-Heinz über die unverhoffte Hilfe für ihren Sohn Michael unterhalte. Michael ist heute 33 Jahre alt. Seit Geburt ist er schwerst beeinträchtigt - es wird bei ihm das Down-Syndrom festgestellt. Kurz darauf ein Darmverschluss. Es beginnt eine sehr schwere Zeit für die junge Familie. Nach vielen Untersuchungen und Diagnosen wird in der Uniklinik Erlangen Morbus Hirschsprung diagnostiziert. Bei dieser Krankheit entwickeln sich Darmnervenzellen des Babys nicht richtig. Die Folgen sind ständige Verstopfung, Blähungen und Erbrechen. Bis auf 20 cm entfernen die Chirurgen den Dickdarm. Ärzte und ein Heilpraktiker können etwas Milderung schaffen, aber die Krankheit bleibt. Michael plagen Dauerdurchfall, sehr starke Schmerzen und ständiges wund sein auch in den Folgejahren. Aufgrund der Trisomie 21 mit einer Sprachstörung kann er sich nicht verbal verständigen – Michael spricht auch bis heute kein Wort. Nur durch Gesten kann er kommunizieren. Seine Eltern versorgen ihn liebevoll wenn er Zuhause sein kann. Ein kaum vorstellbarer Kraftakt.
Damit nicht genug – im Alter von 15 Jahren sucht ihn eine Lungenembolie heim. Ein Darmdurchbruch mit extremem Blutverlust kostet Michael fast das Leben. In diesen Tagen ist seine Mutter Tag und Nacht an seinem Krankenhausbett. Nur langsam erholt er sich auch von diesen schlimmen Ereignissen. Ein künstlicher Darmausgang wird gelegt. Die Schmerzen lassen langsam nach. Michael, die Eltern und seine ältere Schwester Sabrina können ein wenig aufatmen.
Trotz seiner schweren Beeinträchtigungen hat Michael auch seine Momente, die ihm große Freude bereiten. Alles was einen Motor hat oder in Bewegung ist, begeistert ihn. Speziell Motorräder haben es ihm angetan. Mit dem Quad seines Schwagers Thomas darf er öfter mitfahren. Auch eigene Bewegung beim Spazierengehen mag er gerne. Wie auch das Fahrradfahren auf der elterlichen Garagenzufahrt. Auf Dauer ist das aber natürlich für einen erwachsenen Mann zu langweilig.
Dann sieht Mama Traudl zufällig im Fernsehen eine Sendung einer österreichischen Hilfsorganisation, die einem ähnlichen Leidensgenossen ein Tandem-Fahrrad zur Verfügung gestellt hatte, damit dieser mobiler sein kann. Sie forscht nach ähnlichen Organisationen in der Passauer Region und stößt auf die Kinderhilfe Holzland. Und jetzt beginnt für die Familie ein „Geschenk des Himmels“ wahr zu werden.
Denn kaum hat Mama Traudl mit dem Verein Kontakt aufgenommen, melden sich dessen Vertreter bei den Jecks. Es stellt sich heraus dass sie Michael leider nicht unterstützen können, denn er ist mit 33 Jahren über der maximalen Altersgrenze der Kinderhilfe von 28 Jahren. Aber sie können der Familie den Kontakt zur Vereinigung „Schützen-Hilfe“ aus Alkofen (www.schuetzenhilfe.de) herstellen. Und wieder vergehen nur ein paar Tage und die Vorstandschaft dieser Hilfsorganisation meldet sich. Nach dem folgenden Besuch steht fest: hier wird Michael und seiner Familie geholfen. Mit einem Spezialfahrrad. Es ist ein Tandem, auf dem Michael mit einer Begleitperson nebeneinander durch die Gegend sausen kann. Natürlich ist das Tandem ein stabiles, sicheres Spezialfahrrad und damit ein relativ schweres Gerät. Wie ein E-Bike ist es also mit einem unterstützenden Motor samt Akku ausgestattet. Beide Fahrer können unabhängig voneinander per Pedale mitarbeiten. Für Michael ist das ideal, denn er kann sich Ruhepausen nehmen, während sein „Copilot“ weiterstrampeln kann. Ein enormer Gewinn an Lebensqualität wartet auf Michael – und seine Familie. Am Anfang plant man kleinere Ausflüge in Richtung Pocking, nach Heiligenbrunn und durch die Wälder der Region.
Gemeinsame Übergabe der VR-Bank Vilshofen-Pocking eG mit „Schützen-Hilfe“
Spezialfahrrad für jungen Mann mit schweren Beeinträchtigungen
Ein Lichtblick in berührender Lebensgeschichte
Die „Schützenhilfe“ konnte zur Finanzierung des Tandems die VR-Bank Vilshofen-Pocking eG gewinnen. Bei der Ausgabe der für Anleger sehr attraktiv ausgestatteten karitativen Zertifikate der DZ BANK AG, verzichten beide Banken auf Teile der Vertriebsprovision und können damit solche soziale Aktionen unterstützen. Weil der Verein Schützenhilfe ausschließlich ehrenamtlich betrieben wird, kann der gesamte Betrag in die sozialen Projekte fließen. In der aktuellen Bankkampagne von Mitte April bis 24. Mai konnten nun die Banken insgesamt Euro 20.390 an die Schützenhilfe übergeben – für das Tandem und für weitere Projekte.
Auf die Familie Jeck kommen keinerlei Kosten zu. Sie sind sehr froh und glücklich, dass die Kooperation von Banken die Anschaffung des Tandems übernehmen – es kostet doch stolze 15.000 Euro. Lieferant des Spezialfahrzeugs ist das Unternehmen Fahrrad Würdinger aus Passau, das den karitativen Einsatz zusätzlich mit einem schönen Preisnachlass würdigt.
In unserem Gespräch ist Mama Traudl anzumerken, dass sie es immer noch nicht richtig fassen kann, dass diese Hilfe so schnell und unbürokratisch zustande gekommen ist. Sie berichtet, dass für andere Hilfsanfragen stapelweise Anträge auszufüllen und Nachweise beizubringen gewesen wären, was das Ehepaar glatt überfordert und entmutigt hätte. Umso größer ist die Freude bei der heutigen Übergabe des Tandems: Michael kann ab sofort die Gegend mobil erkunden und sich selbst beim „Kilometer strampeln“ zusätzliche Fitness und Lebensfreude schenken.
Michael und seine Familie haben das auch wahrlich verdient!
Text und Fotos: Heinrich Fuller